Karl-May-Festspiele Pullman City – Der Ölprinz – Teil 1
Dann geht’s zu den diesjährigen Karl-May-Festspielen, die in ihrer 6. Spielzeit den Ölprinzen geben.
Mit der Behauptung, aussichtsreiche Ölquellen gefunden zu haben, locken Grinley (Michael Knese), ein aalglatter Typ in maßgeschneidertem Anzug, Hemden aus feinster Baumwolle und perfekt gebundener Seidenkrawatte, sowie sein Bruder Buttler (Stefan Wimmer), der Anführer der sogenannten „Finders“, den millionenschweren Banker Duncan (Ralf Baumann), einen raffgierigen Kapitalisten, in eine Gegend des Apachengebietes, wo quasi der Hund begraben ist und wo nichts, aber auch gar nichts zu holen ist.
Dass sich die Bewohner der Gegend, Navajos (die Guten) und Nijoras (die vom Ölprinzen beeinflussten), zwei Untergruppen der Apachen, nicht grün sind, kommt dem Ganovenpaar sehr entgegen. So spielt Grinley die beiden Apachen-Stämme geschickt gegeneinander aus. Wo gekämpft wird, kommt schließlich kein Dritter freiwillig hin.
Dennoch verirrt sich eine Gruppe deutscher Auswanderer, unter ihnen die mit einer Bratpfanne bewaffnete, resolute Dresdnerin Rosalie Ebersbach (Alena Polzer) und ihre mit rosa Schürze auf bieder gemachte Nichte Lilly (Thyra Britt Jansen-Olliges) in diese Gegend. Als ob das Pionier-Leben nicht schon anstrengend genug wäre, wird es durch die Anwesenheit des verschrobenen Kantors Matthäus Aurelius Hampel (ebenfalls Ralf Baumann), auf dem Foto unten links neben Frau Ebersbach, noch weiter erschwert. Hampel will sich im Wilden Westen Anregungen für eine Heldenoper im Stil Richard Wagners holen.
Liebesgeschichten in Theaterstücken sind meist dazu geschaffen, auch größere gesellschaftliche Themen und menschliche Zustände, wie Freiheit, Opferbereitschaft, Leidenschaft und Vergänglichkeit ins Stück mit einzubinden, und so kommt auch der Ölprinz nicht ohne eine Liebesgeschichte aus.
Weil die Siedler Deutsche sind und weil Schi-So (Christopher Tim Schmidt), Sohn des Navajo-Häuptlings Nitsas-Ini (Mathias Sartor) in Deutschland studiert hat (warum fällt mir da ausgerechnet jetzt Dimitri Stoupakis ein, Austauschbandit aus Griechenland, der sich bei Santa Maria melden sollte), wird er vom Papa – quasi seine Ausbildung zu beenden – zum Praxis-Semester zu den Siedlern geschickt. Dort sieht er zum ersten Mal Lilly, die Nichte der Dresdner Auswanderin Rosalie Ebersbach. Und da hat’s Zoom gemacht, lange bevor Klaus Lage überhaupt an seinen Superhit 1000 und 1 Nacht gedacht hat. Zwei oder drei kurze Momente reichten aus, um einen magischen Funken zu entzünden. Das liegt wohl daran, dass Frauen aus fremden Kulturen oft diese Exotik verkörpern, die auch einen Indianer flasht und dazu bringt, mehr über deren Lebensweise, Traditionen und Werte erfahren zu wollen. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass Schi-Sos Vater, Navajo-Häuptling Nitsas-Ini, bereits mit der Deutschen Majara verheiratet ist und er so bereits gute Erfahrungen mit interkulturellen Familien gemacht hat.
Es kommt, wie’s kommt, natürlich können Lilly und Schi-So ihre Liebe nicht ausleben, denn bereits kurz danach wird Schi-So von Nijoras entführt.
Die Stimmung bei den Siedlern ändert sich erst, als sich der erfahrene Trapper und Fährtenleser Sam Hawkens (Ulf Gerspacher) anbietet, deren Treck zu führen. Er zeigt den Bösewichtern, wo der Hammer hängt, und liest dann auch Hampel mal ordentlich die Leviten.
Jetzt läuft das Stück schon zwanzig Minuten und noch immer kein Winnetou zu sehen – und auch kein Old Shatterhand. Beide sind (leider außerhalb des Pullman-City-Festspielorts) unterwegs, um Santer zu suchen, der Winnetous Vater Intschu-tschuna und seine Schwester Nscho-tschi getötet hat.
Jetzt endlich, nach 25 Minuten setzt Martin Böttchers berühmte Musik ein und die Spannung in der Luft wird greifbar. Von der Pullman-City-Prärie her – dort wo das Büffelgehege ist – reitet Winnetou (Ivica Zdravkovic) – majestätisch und voller Würde – Richtung Bühne. Auf der anderen Seite erscheint – in Mut und Tapferkeit Winnetous Ebenbild – Old Shatterhand (Robert Spindler).
Wie von einer unsichtbaren Macht gelenkt schreiten sie aufeinander zu und reichen sich die Hände. Die Spannung im Rund ist auf dem Höhepunkt, als endlich die Worte fallen, auf die alle gewartet haben: „Mein Bruder“. Die epische Vereinigung zweier Welten, eine Szene, deren Theatralik nicht mehr zu überbieten ist. Das Publikum ist begeistert. Shatterhand und Winnetou bieten dem Treck ihre Hilfe an. Jetzt kann es ja nur noch gut gehen.
Häuptlingssohn Schi-So, Navajo-Häuptling Nitsas-Ini, Winnetou und auch Old Shatterhand beraten das weitere Vorgehen. Nitsas-Inis Frau Majara und zwei Krieger schauen dem ganzen Prozedere wortlos zu.
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